Ob die Welt darauf gewartet hat, weiß ich nicht. Glaube kaum. Spielt auch keine Rolle. Aber auf jeden Fall war es mir wichtig, nach etwas mehr als drei Jahren endlich auch mal ein ganz eigenes Brot zu backen – eines, das nicht nur nachgebacken ist. Wobei das »nur« nicht abwertend gemeint ist. Denn auch das muss man ja erst mal anständig hinkriegen.
Nach Tagen der Recherchen und Vorbereitungen und Rechnereien war heute der Tag, an dem es drauf ankam. Und ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Geworden ist es ein rustikales Kastenbrot mit Roggenvollkorn‑, Dinkelvollkorn- und Ruchmehl. Für den vielschichtigen Geschmack und gute Haltbarkeit sorgt ein Brühstück aus Roggenschrot, geröstetem Altbrot und Vierfach-Saaten. Und der Sauerteig natürlich.
Es hat einen hübschen Ausbund, befördert durch einen sanften Längsschnitt mit dem Lame de Boulanger Marke Eigenbau, eine Portion extra Körnigkeit durch eine Streu aus Haferkleie und eine schöne, aber nicht übertriebene Kruste. Die Krume ist weich-elastisch und feinporig. Angepeilt war eine Teigausbeute von 180 und eine Teigmenge von 2.200 Gramm. Kommt auch ziemlich genau hin.
Das Wichtigste: Mein erstes Brot ist geschmacklich der Hammer. Mild, mit komplexen Aromen, mit einer angenehm dezenten, gar nicht pieksigen Säure. Wir haben es nur mit Butter, mit Käse und Wurst und mit Honig verkostet. Geht alles. Ein echter Allrounder.
Auch die beste Ehefrau von allen war sehr angetan. Der Härtetest kommt aber erst noch – wenn ich es den Enkeltöchtern vorsetze. Kindermund tut Wahrheit kund. 🙂
Ich denke mal, es war eine ziemlich gute Idee, nicht nur wie üblich einen Teil Roggenvollkornmehl zu versäuern, sondern dem Anstellgut auch etwas von dem Ruchmehl vorzuwerfen. Habe ich so noch nie in Rezepten gefunden. Würde ich aber jederzeit wieder machen. Unbedingt.
Entstanden sind zwei Laibe, von denen einer knapp 1.200 Gramm auf die Waage bringt, der andere circa 990 Gramm. Geht doch nichts über ein gesundes Augenmaß …
Vielleicht sollte ich mal dazu übergehen, die Teiglinge abzuwiegen. 🙂
Natürlich stellte sich auch die Frage nach einem Namen für das Brot. Ich habe mich entschieden, es in Würdigung meines vor bereits 37 Jahren verstorbenen Vaters »Hans« zu nennen. Das macht Sinn, denn er war Bäcker und Konditor. Ein sehr guter noch dazu.
Als ich so darüber nachdachte, kam mir in den Sinn, dass mein Vater in den 50er Jahren in Bielefeld bei der dort bekannten Bäckerei Austmeyer gearbeitet hatte. Die Backstube befand sich in einem Anbau des Hauses Alsenstraße 28. Dort haben wir auch, im zweiten Stock, gewohnt.
Als Kind habe ich einige Zeit in der Backstube verbracht. Der Geruch von Sauerteig und Brot, von Kuchen und Keksen, von Karamell und Nougat, von Marmelade und Ananas ist der Geruch meiner Kindheit. Ich nehme an, das hat mich mehr geprägt, als mir selbst bewusst war. Auch wenn ich beruflich ganz andere Wege beschritten habe.[1]Ich habe heute Kontakt zur Tochter seines damaligen Chefs aufgenommen, Marlies Austmeyer. Der Beginn einer kleinen Zeitreise. Aber das ist noch mal eine spannende Geschichte für sich.
Mit dem Brotbacken habe ich erst vor drei Jahren begonnen. Es hat sich immer richtig angefühlt. Aber heute, da bin ich sicher, hat mir beim Backen noch jemand zugesehen und sich sehr gefreut.
Dies Brot ist für dich, Papa!
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Anmerkungen
↑1 | Ich habe heute Kontakt zur Tochter seines damaligen Chefs aufgenommen, Marlies Austmeyer. Der Beginn einer kleinen Zeitreise. Aber das ist noch mal eine spannende Geschichte für sich. |
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